Wie können wir die Welt vom Plastikmüll befreien, die Artenvielfalt erhalten oder Krankheiten wie Krebs besiegen? Ist es möglich, das Leben für alle Menschen lebenswerter zu machen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schonen? Das und noch viel mehr sind die spannenden Fragen der Zukunft. An den Antworten zu diesen Fragen wird an den 11 Zukunftsorten Berlins in über 2.000 Unternehmen geforscht und gearbeitet.
Im Rahmen der Kampagne stellen wir einige dieser Projekte vor. Wir wollen damit die Vielfalt der internationalen Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen an diesen 11 Standorten zeigen. Und damit die Innovationskraft, die die Zukunftsorte, unterstützt durch die Berliner Politik und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, in die Hauptstadt bringen.
Aber wir möchten vor allen Dingen eines: Mit dieser Kampagne beweisen wir, dass es viele Gründe gibt, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Sie soll möglichst vielen Menschen Mut und Lust machen, sich an einem dieser Zukunftsthemen zu beteiligen. Lassen Sie sich von den wegweisenden Projekten begeistern, lernen Sie das europaweit einzigartige Netzwerk Zukunftsorte kennen. Es gibt viel zu entdecken.

Zukunft ist, wenn Plastikmüll Geschichte ist.
Am Zukunftsort „Berlin Adlershof“ entwickeln Forschende aus der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V., Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, eine digitale Technik, Mikropartikel im Abwasser so aufzuspüren, dass sie herausgefiltert werden können und nicht in unsere Gewässer gelangen.
Über das Projekt
Beim Thema Plastik in der Umwelt drängt die Zeit. Jahr für Jahr gelangen laut Weltwirtschaftsforum mindestens acht Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in unsere Weltmeere. Dort zersetzen sie sich zu gefährlichen Mikroplastikpartikeln.
Der Nachweis dieser Mikropartikel ist sehr zeitaufwändig. Das macht es bisher schwer, der rapide wachsenden Verschmutzung etwas entgegen zu setzen.
Dies wollen Tobias Gerhardt, Chemiker in der Berliner Gesellschaft zur Förderung der naturwissenschaftlich-technischen Forschung (GNF) und sein Team ändern, und zwar durch deutliche Verkürzung der Analysezeiten. Die Kunststoffreste, denen die Adlershofer Forschenden auf der Spur sind, reichen vom Millimeter großen Partikel bis zu winzigsten Teilchen von wenigen Tausendstel Millimeter Größe. In einem seit Anfang 2020 vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Verbundprojekt zur Entwicklung von Mikroemulsionen für die Analytik von Mikroplastik und Biofilmen arbeitet das GNF-Team zusammen mit der Universität Bayreuth, der Firma mibic und anderen Partnern daran, durch gezielten Einsatz von Farbstoffen die Analyse dieser Mikroteilchen von mehreren Wochen auf wenige Tage oder sogar einen Tag zu reduzieren.
Eine große Herausforderung, denn bisher scheiterte die Bestimmung von Mikroplastik mit Farbstoffen daran, dass sich in Gewässern an den Partikeln schnell Biofilme bilden und Wasser viel organisches Material wie Holz und Pflanzenreste enthält, welches mit eingefärbt wird. Um eine optische Trennung der winzigen Plastikteilchen von ihrer organischen Umgebung zu erreichen, macht sich Tobias Gerhardt die Eigenschaften von besonderen Mizellsystemen, sogenannten Mikroemulsionen, zunutze. Diese Mikroemulsionen werden als Transportmittel genutzt, um den Analysefarbstoff direkt ins Plastik zu transportieren. Das ist der entscheidende Unterschied: Da auf diese Weise das Mikroplastik nicht nur oberflächlich angefärbt wird, können alle störenden Anfärbungen von biologischem Material wieder abgewaschen werden. Werden die farbigen Plastikteilchen dann mit UV-Licht beleuchtet, fluoreszieren sie; so lässt sich zum Beispiel in Klärwerken der Verschmutzungsgrad des Abwassers bestimmen.
Mit den von Tobias Gerhardt und seinem Team entwickelten Mikroemulsionen kann aber nicht nur die Anzahl der Teilchen in einer Wasserprobe bestimmt werden, sondern durch die Auswahl der Farbstoffe lassen sich bestimmte Kunststoffklassen wie z. B. Nylon, PET oder Polypropylen anhand der Fluoreszenzfarbe unterscheiden. Um die Bedeutung dieses innovativen Analysetools zu verstehen, muss man wissen, dass in Klärwerken zur Filterung von Schmutzpartikeln im Mikrometerbereich sogenannte Flockungsmittel eingesetzt werden. Das heißt, alle Partikel, die von mechanischen Filtern nicht mehr erfasst werden können, werden mithilfe von Flockungsmitteln gebunden, damit aus kleineren Teilchen Makropartikel entstehen. Für die Dosierung dieser Bindestoffe gibt es noch kein industriell etabliertes Verfahren. Da trifft es sich, dass die Gesellschaft zur Förderung von angewandter Informatik (GFaI e.V.), ebenfalls in Adlershof ansässig, im Projekt „Flocki“ ein bildbasiertes Messsystem zur optimalen Dosierung für den Einsatz von Flockungsmitteln entwickelt hat.
Die Projekte von GNF und GFaI, beide gehören der Zuse-Gemeinschaft an, sind besonders eindrückliche Beispiele, wie sich Forschung ergänzen kann, um Lösungen für drängende Zukunftsfragen zu entwickeln. Durch die Möglichkeit, kleinste Kunststoffteilchen zeitnah zu bestimmen und sichtbar zu machen, lässt sich wiederum das von der GFaI entwickelte Messsystem in naher Zukunft auch für Mikroplastik einsetzen. So lassen sich im Klärwerk Stoffe im Mikrometer-bereich zuverlässig aufspüren und abfangen. Und auf diese Weise verhindern, dass weiteres Mikroplastik in unsere Gewässer gelangt.
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Zukunft ist, wenn die Bienen wiederkommen.
Am Zukunftsort „Technologie-Park Berlin Humboldthain“ wurde das Projekt „Sens4Bee“ von der microsensys GmbH initiiert und mit den Partnern Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) realisiert. Ziel ist es mithilfe von integrierten Sensorsystemen in Bienenstöcken und an Einzeltieren genügend Daten zu erheben, um das Bienenwohl in Verbindung mit Umweltereignissen analysieren zu können. Das Projekt ist durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Über das Projekt:
Neben den Honig produzierenden Völkern sind vor allem die Wildbienen durch ihre Bestäubungsleistung für die Landwirtschaft von immenser Bedeutung. Aus diesem Grund sorgen die steigenden Sterbezahlen von diversen Wildbienenarten weltweit für Aufregung. Doch trotz seiner Bedeutung und den allgemeinen Wissensstand über dieses Insekt sind die Ursachen für das Bienensterben noch weitestgehend unerforscht. Um besser zu verstehen, welche Umweltfaktoren für die Gesundheit von Bienenvölkern entscheidend sind, ist es notwendig, sowohl die Entwicklung ganzer Bienenvölker als auch die von Einzeltieren zu untersuchen.
Aus diesem Grund wurde das Forschungsprojekt „Sens4Bee“ ins Leben gerufen. Ziel ist es mithilfe RFID-basierter Sensoren in Bienenstöcken und an Einzeltieren genügend Daten zu erheben, um das Bienenwohl in Verbindung mit Umweltereignissen und Umweltparametern untersuchen zu können. Unterstützt wird dies Projekt durch die Firma Micro-Sensys GmbH, die ein Sensorsystem zur Erfassung von Temperatur, Feuchtigkeit, Vibration und akustischen Signalen im Bienenstock entwickelt haben. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ wiederum verarbeitet die gesammelten Daten und analysiert deren Bedeutung für den Gesundheitszustand der Bienenvölker.
Es ist ein Mammutprojekt, in das viele Forschungsinstitute und Experten ihre Expertise einbringen. Allein die Sensoren so leicht zu machen, dass sie von den Bienen auf dem Rücken getragen werden können, ohne dass diese sie beim Fliegen und Honig sammeln behindern, ist eine technische Herausforderung. Für die ultraleichten Sensor-Transponder mit RFID-Schnittstelle der Micro-Sensys GmbH entwickelte wiederum das Fraunhofer IZM eine extrem kleine Lithiumbatterie und ein Solarmodul. Im Gegensatz zu bisher üblichen Knopfzellen wird als Gehäusematerial das sehr viel leichtere Silizium statt Metall verwendet. Die Aufladung dieser Minibatterien erfolgt während der Flugphase durch Tageslicht und im Bienenstock mittels Infrarotlicht. Das Gesamtgewicht des Sensors liegt zwischen zwei und zehn Milligramm und wird mittels eines biokompatiblen Klebers direkt in der ersten Entwicklungs-phase der Bienen auf tierfreundliche Weise angebracht.
Die gesammelten Daten werden in einer intelligenten Cloud-Lösung mit Analysetools bearbeitet und dargestellt. Um die Daten für die praktische Anwendung in der Imkerei zur Verfügung zu stellen, liegt ein weiterer Schwerpunkt des Projektes auf einer smarten Verarbeitung, welche die Imker und Imkerinnen mit konkreten Handlungsempfehlungen versorgt. Für die angewandte Forschung werden die individuell erfassten Einzeltier- und Bienenstockdaten mit Umweltereignissen verknüpft, um beispielsweise die Bewertung von Umweltchemikalien zu verbessern.
Neben dem Fraunhofer IZM, der Micro-Sensys GmbH und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ sind das Institut für Bienenforschung am Julius-Kühn-Institut, die Heinrich Holtermann KG und der Deutsche Imkerbund an dem Projekt beteiligt. Seit Projektstart liegt der Fokus klar auf der Entwicklung einer integrativen Lösung für Bienenstöcke, die den Imkern ein leicht zu bedienendes Werkzeug zur Verfügung stellt, um die Gesundheit ihrer Völker besser zu überwachen und bei Gefahr rechtzeitig eingreifen zu können. Es ist aber davon auszugehen, dass dieses Forschungstool in naher Zukunft auch von weiteren Bienen- und Umweltinstituten sowie nationalen und internationalen Forschungsverbünde angefragt und eingesetzt wird, um dem Bienensterben auf die Spur zu kommen.
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Zukunft ist, wenn Krebs nur noch ein Tier ist.
Am Zukunftsort „Berlin-Buch“ entwickelt T-knife neuartige Immuntherapien gegen Krebs: Sie bringen den T-Zellen von Patient*innen bei, solide Tumoren zu erkennen und zu bekämpfen. T-knife ist ein Spin-off des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) zusammen mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Über das Projekt:
T-Zellen überwachen unseren Körper und schützen ihn vor Krankheiten, beispielsweise durch Infektionen mit Viren. Das funktioniert, weil kranke Zellen sich durch spezifische Antigene auf ihrer Oberfläche verraten. Spürt eine T-Zelle ein Antigen auf, zerstört sie die befallene Zelle oder mobilisiert weitere Kräfte gegen sie. Auch bei Krebszellen sitzen spezielle Merkmale auf der Oberfläche. Das Problem ist allerdings: Das Immunsystem erkennt diese oft nicht und bekämpft sie daher auch nicht.
Das soll die T-Zell-Therapie ändern. Dabei geht es um nichts weniger, als mit Hilfe genetisch veränderter Immunzellen Krebserkrankungen zu heilen: Das Biotech-Unternehmen T-knife mit Sitz in Berlin-Buch nutzt eine Technologie, die Mitgründer Prof. Thomas Blankenstein und sein Team am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) zusammen mit der Charité-Universitätsmedizin Berlin entwickelt haben. In ihrem innovativen Therapieansatz wird den T-Zellen von Krebs-Patient*innen beigebracht, solide Tumoren zu erkennen und zu bekämpfen. Die Idee klingt einfach und ist dennoch das Ergebnis jahrzehntelanger Grundlagenforschung.
Das Team um Chief Technology Officer Dr. Elisa Kieback verändert die T-Zellen der Patient*innen so, dass sie Krebszellen als Eindringlinge identifizieren können. Dazu statten sie die Immunzellen jeweils mit einem neuen T-Zell-Rezeptor (TCR) aus, der explizit das Antigen MAGE-A1 ins Fadenkreuz nimmt – ein typisches Erkennungsmerkmal auf der Oberfläche von Krebszellen. Entwickelt werden diese tumorbekämpfenden T-Zell-Rezeptoren mit Hilfe von Mausstämmen, deren T-Zellen ausschließlich menschliche T-Zell-Rezeptoren tragen, die dann auf den Anti-Tumorkampf sozusagen programmiert werden.
Damit haben die Forscher*innen erstmals ein System etabliert, das eine in-vivo-Entwicklung humaner T-Zell-Rezeptoren gegen krebsassoziierte Antigene ermöglicht. Auf diese Weise identifiziert und entwickelt T-knife ein ganzes Portfolio innovativer TCR-T-Zelltherapie-Programme. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und potenziell ein wichtiger Durchbruch im Kampf gegen den Krebs. Im nächsten Schritt geht es darum, diese exzellenten Forschungsergebnisse so schnell wie möglich für Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. In einer klinischen Studie soll geprüft werden, ob die Vision, Krebskranke zu heilen ohne die üblichen Nebenwirkungen herkömmlicher Therapien, in naher Zukunft Wirklichkeit werden kann. Dies könnte vielen Krebspatientinnen und -patienten neue Chancen eröffnen, sofern sich die bisherigen Daten in der klinischen Prüfung, also in der Anwendung am Menschen bestätigen.
Kein Wunder, dass T-knife inzwischen zu einem der bestfinanzierten Start-ups der deutschen Biotech-Szene gehört. Gut finanziert kann das Team nach weiteren TCR-Kandidaten für verschiedene Krebsarten suchen. Die Zahl der Beschäftigten wächst stetig, so dass T-knife bald deutlich größere Flächen auf dem Campus Berlin-Buch beziehen wird. Denn wer weiß, vielleicht wird diese neue Generation der Krankheitsbehandlung nicht nur den Kampf gegen den Krebs revolutionieren, sondern es lassen sich mit ihrer Hilfe bald auch andere Krankheiten früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen?
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