Madlen Dietrich

30.04.2025

Madlen Dietrich ist Head of Innovation & Network am Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e. V. und Expertin für Netzwerkmanagement und Innovationsscouting. Seit über zehn Jahren bewegt sie sich im Innovations- und Startup-Ökosystem. Ihr Fokus liegt auf der Vernetzung von Industrie, Wissenschaft, KMU und Startups. Mit ihrem Kommunikationstalent bringt sie Menschen und Ideen zusammen. Wir konnten ihr fünf Fragen stellen.

 

Frau Dietrich, Sie leiten den Bereich Innovation & Network im Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e.V. (WvSC). Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus und welche Themen stehen für Sie aktuell besonders im Fokus?

Einen typischen Arbeitsalltag gibt es aufgrund der Fülle der Themen nur selten. Das macht meine Arbeit auch so spannend und abwechslungsreich. Aber es gibt Themen, die mich aktuell besonders umtreiben und in die viel Zeit, Energie und vor allem Leidenschaft fließen. Im Bereich Innovation liegt mein wesentlicher Fokus auf dem Aufbau unseres Industry Startup Hub, einem Reallabor für industrierelevante Startups in der Frühphase, in dem sie ihre Lösungen weiterentwickeln und in industriellen Infrastrukturen validieren können. Auch der Aufbau unseres WvSC-Metaverse beschäftigt mich und mein Team im Bereich Innovation.

Im Feld Network konzentrieren wir uns aktuell auf den Ausbau unseres Standorts in der Siemensstadt Square zum Innovation Hub und Ökosystem für Akteure mit Lösungen und Konzepten für die industrielle Transformation. Unsere Arbeit hier besteht im Wesentlichen aus Event- und Netzwerkmanagement, Kommunikation, Offenheit und Neugier auf neue Themen und Menschen, die diese bewegen wollen.

 

Im WvSC arbeiten Akteure aus Wissenschaft, Industrie, Start-ups und KMU eng zusammen. Wie gelingt es Ihnen, diese miteinander zu vernetzen? Was braucht es, damit aus Begegnungen echte Kooperationen entstehen?

Damit Akteure interdisziplinär und unabhängig von Größe und Ressourcen kollaborativ zusammenarbeiten können, braucht es eine neutrale Plattform und gute, gesteuerte Kommunikation. Das ist das, was uns als WvSC ausmacht. Wir sind die Basis, auf der die verschiedenen Stakeholder gemeinsam arbeiten können. Dazu gehören rechtliche Grundlagen ebenso wie kommunikative Begleitung, Projektsteuerung und physische Infrastrukturen, die den Transfer in die Praxis ermöglichen. Es braucht also Innovationsräume, die all diese Komponenten abdecken, damit echte Kooperationen entstehen können.

Zuvor müssen sich die Akteure allerdings finden, was angesichts der Fülle an Möglichkeiten und der knappen Zeitbudgets kein leichtes Thema ist. Hier geht es aus meiner Sicht nicht ohne Netzwerkmanager, die nicht nur Events gestalten und Wissensplattformen bieten, sondern auch ganz gezielt und auf den Einzelfall bezogen zusammenführen. Es braucht Menschen, die um die Ecke denken können und Potenziale branchenübergreifend erkennen. Auch das ist Teil der Arbeit des WvSC.

 

Das WvSC versteht sich als Reallabor. Was genau steckt hinter diesem Konzept? Was macht die Arbeit in einem Reallabor besonders spannend oder auch herausfordernd?

Unser Reallabor ist ein Test- und Experimentierraum für industrielle Innovationen. Wichtig dabei ist, dass es sich um einen Testraum auf Industrielevel handelt. Innovationen aus Forschung, Industrie und Startup haben somit die Möglichkeit, aus der Laborumgebung herauszukommen und sich in einer wirklichen Industrieumgebung zu beweisen.

Das braucht physische Infrastrukturen wie Industriemaschinen, Robotik oder additive Fertigungsverfahren genauso wie digitale Infrastrukturen wie eine Industrial Edge Cloud oder ein 5G Campusnetz – um nur einige zu nennen.

Das Besondere dabei ist jedoch, dass wir nicht ein Testfeld für Einzelinnovationen sind, sondern darauf achten, dass alle Lösungen ineinandergreifen und sich in einen industriellen Gesamtprozess einordnen: von der Software zur Planung, Simulation und Visualisierung über die Produktion und Qualitätsüberwachung, den Transport mittels autonomer Fahrzeuge zum Weiterverarbeitungsort bis hin zur Energieüberwachung und Erfassung des Carbon Footprint. Dabei werden neben der Prozess-, Daten- sowie Software- und Hardwareebene auch die menschlichen Anforderungen und Wissenslayer mitgedacht und integriert.

 

Sie sind mit dem WvSC am Zukunftsort Siemensstadt Square angesiedelt. Welchen Mehrwert bietet Ihnen dieser Standort – fachlich wie persönlich?

Die Siemensstadt Square ist ja beides: ein historischer Industriestandort, an dem eine internationale Erfolgsgeschichte ihren Anfang nahm und die in nahezu jedem Gebäude noch zu spüren ist, genauso wie ein riesiger Transformationsort, der sich neu erfindet und dabei auf neueste Technologien und Entwicklungskonzepte setzt. Innovation und Transformation sind quasi das Herz dieses Ortes und auch die DNA des Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science. Fachlich haben wir zudem den großen Mehrwert, dass wir hier mitten im Industriegebiet sitzen und die Werke und Produktionen Tür an Tür zu uns angesiedelt sind. Das vereinfacht den Zugang zu industriellen Infrastrukturen und Netzwerken enorm.

Persönlich finde ich es spannend, an einem solchen Transformationsprozess mitwirken und einen Beitrag zu seinem Gelingen leisten zu können. Das Feld zwischen Historie und Tradition sowie Innovation und Transformation ist hier überall spürbar. Das bietet viel Gestaltungsspielraum in meiner Arbeit.

 

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Entwicklungen sehen Sie als besonders entscheidend für den Erfolg von Innovationszentren wie dem WvSC?

Zunächst einmal: Der Industriestandort Deutschland und Europa braucht Innovationsorte wie diesen, die Forschung, Anwendung und Transfer nicht nur in Datenbanken oder Eventformaten, sondern ganz physisch und operativ zusammenbringen. Wir müssen es wieder schaffen, die Innovationskraft, die in Wissenschaft und Wirtschaft steckt, zu heben und in echte Wertschöpfung zu übersetzen. Innovation darf nicht in Publikationen, Demonstratoren und Pilotprojekten enden, sondern muss zu einem wirklichen Produkt und Business werden. Unternehmerisches Denken und Startups sind daher eine weitere wichtige Komponente des Erfolgs solcher Innovationszentren.

Damit uns das als Standort gelingt, ist es jedoch entscheidend, dass sich Orte wie dieser nicht in Konkurrenz zu anderen Akteuren sehen, sondern wir gemeinsame Schnittmengen suchen und Themen zusammen vorantreiben. Das ist unser Verständnis von Innovation: Sie gelingt nicht alleine, sondern nur mit vereinten Kräften und mehr Miteinander.

 

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