Infobox: Leitfaden für Deep Tech-Gründungen aus der Wissenschaft

Leitfaden für Deep Tech-Gründungen aus der Wissenschaft

Die treibende Kraft des Erfolgs der Berliner Zukunftsorte ist die enge Verbindung zwischen akademischer Forschung und unternehmerischer Praxis. Renommierte Universitäten und Forschungseinrichtungen fungieren als Nährboden für wegweisende Ideen und Innovationen. In den Zukunftsorten treffen sie auf ein einzigartiges Ökosystem aus Inkubatoren, Acceleratoren und Co-Working Spaces, die Startups aus der Wissenschaft unterstützen. Diese Infrastruktur ermöglicht es Gründer:innen, ihre Ideen zu entwickeln und in marktfähige Produkte zu verwandeln. Besonders hoch sind die Anforderungen an Gründer:innen im Deep Tech Sektor, um erfolgreich sein zu können. Sie benötigen nicht nur tiefgehendes technisches Know-how, sondern auch eine langfristige Vision für die Umsetzung einer Investition in wirtschaftliche Wertschöpfung. Je nach Technologiefeld und Markt liegen hier nicht selten mehr als 10 Jahre zwischen der Idee und ihrer erfolgreichen Realisierung. Wie es trotzdem gelingen kann, ein erfolgreiches Startup aus der Wissenschaft aufzubauen, welche Fallstricke es gibt und wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Umsetzung unterstützen, erfahrt Ihr im folgenden Leitfaden.

Wie gehe ich als Gründer:in im Deep-Tech-Sektor vor?

1. **Identifikation einer innovativen Technologieidee:** Beginne mit einer einzigartigen und vielversprechenden Technologieidee. Diese sollte ein spezifisches Problem lösen oder eine bedeutende Verbesserung gegenüber bestehenden Technologien bieten.

2. **Marktrecherche und Validierung:** Führe eine gründliche Marktrecherche durch, um sicherzustellen, dass es einen Bedarf für deine Technologie gibt. Spreche mit potenziellen Kunden, um ihr Interesse und ihre Bedenken zu verstehen.

3. **Erstellung eines Businessplans:** Verfasse einen Businessplan, der die Technologie, den Markt, die Wettbewerbslandschaft, das Umsatzmodell und die finanziellen Prognosen umfasst. Dieser Plan wird oft benötigt, um Investoren zu überzeugen.

4. **Schutz des geistigen Eigentums:** Registriere Patente, Marken oder andere Formen des geistigen Eigentums, um deine Technologie zu schützen und Wettbewerbsvorteile zu sichern.

5. **Zusammenstellung eines Teams:** Stelle ein qualifiziertes Team zusammen, das die erforderliche technische Expertise und unternehmerische Fähigkeiten mitbringt. Dies könnte Ingenieure, Forscher, Vertriebs- und Marketingexperten umfassen.

6. **Rechtsform festlegen und rechtliche Schritte unternehmen:** Wähle die passende Rechtsform für dein Startup aus (z.B. GmbH, UG, AG) und erledige die erforderlichen rechtlichen Formalitäten, wie die Eintragung im Handelsregister.

7. **Finanzierung sichern:** Erkunde verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten wie Eigenkapital von Gründern, Angel-Investoren, Venture Capital, öffentliche Fördermittel oder Crowdfunding.

8. **Prototyp entwickeln und testen:** Arbeite an einem funktionsfähigen Prototyp deiner Technologie, um ihre Machbarkeit zu demonstrieren. Führe Tests durch, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen entspricht.

9. **Regulatorische und rechtliche Aspekte berücksichtigen:** Achte darauf, dass deine Technologie alle geltenden Vorschriften und Standards erfüllt, insbesondere in regulierten Branchen wie Gesundheitswesen oder Energie.

10. **Markteinführung und Vertrieb:** Entwickle eine Strategie für die Markteinführung, identifiziere Zielkunden und starte den Vertrieb deiner Technologie.

11. **Skalierung und Wachstum:** Sobald du erste Erfolge erzielt hast, plane die Skalierung deines Unternehmens, um einen breiteren Markt zu erreichen und weiter zu wachsen.

12. **Netzwerken und Partnerschaften:** Baue Beziehungen zu anderen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Experten in der Branche auf, um von deren Know-how und Ressourcen zu profitieren.

 

Achtung Fallstricke!
1. Beruht die Gründungsidee auf einer technischen Invention, so muss diese möglichst durch Patente oder Gebrauchsmuster vor Nachahmung geschützt werden. Die Rechte zur Verwertung liegen i.d.R. bei der Forschungseinrichtung und müssen zur kommerziellen Nutzung zunächst (exklusiv) erworben werden. Investoren legen ebenfalls viel Wert auf gut formulierte Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen mit einem ausreichenden Schutzumfang.

2. Auch wenn die Technologie sehr innovativ ist, bestimmt ihr konkreter Nutzen für den Markt häufig den späteren Erfolg. Gründer:innen sollten verstehen, wie ihre Lösung ein echtes Problem löst und welchen Mehrwert sie bietet. Eine frühe Einbeziehung von Kundenfeedback spart Zeit und beugt Fehlentwicklungen vor. Oft reichen auch Mock-Ups und frühe Prototypen für einen ersten Markttest.

3. Gründungsteams in der Wissenschaft sind in vielen Fällen sehr homogen aufgestellt. Typisch sind Teams aus mehreren Personen (oft Männern), die sich im Verlauf ihrer Forschungstätigkeit kennengelernt haben. Solche Teams verfügen aber nicht das notwendige Know-how in Bereichen wie Marketing und Finanzierung. Auch eine Diversität in Bezug auf Faktoren wie Alter, Geschlecht und Herkunft kann die Kompetenz eines Gründerteams stärken. Eine Teamergänzung ist zwingend erforderlich.  Ein weiter Fallstrick besteht darin, dass Teamdynamiken und -konflikte in der Anfangszeit, in der alle hochmotiviert sind und an einem Strang ziehen, vernachlässigt werden. Um späteren Problemen vorzubeugen, sollten regelmäßige Workshops zur Teamfähigkeit und Teamentwicklung – möglichst mit externen Coaches – durchgeführt werden.

Unicorn oder Zebra?
Die Entwicklung von Deep Tech-Lösungen kann herausfordernd und zeitaufwändig sein. Gründer:innen sollten geduldig sein und sich auf Rückschläge einstellen, während sie beharrlich an ihrer Vision arbeiten. Gleichzeitig entstehen durch hohe FuE-Aufwände und lange Entwicklungszeiten auch hohe Kosten, die refinanziert werden müssen.  Bei der Finanzierung sehen wir in der Praxis unterschiedliche Strategien. Die einen versuchen, möglichst schnell zu skalieren und sammeln in mehreren Finanzierungsrunden viel Risikokapital, um ein schnelles Wachstum zu ermöglichen. Die anderen „bootstrappen“ und versuchen möglichst lange ohne externe Investoren auszukommen. Um aufwändige FuE-Vorhaben zu finanzieren, werden Förderprogramme genutzt. Erstere nabeln sich häufig früh von ihrer Muttereinrichtung ab, während letztere noch so lange wie möglich im Schutzraum der Wissenschaft verbleiben.  Welche Strategie richtig ist, hängt von mehreren Faktoren ab, nicht zuletzt auch vom Mindset der Gründer:innen. Ein entscheidender Punkt ist dabei das „Windows of Opportunity“, sprich: ist der Markt schon reif genug für jene Innovation oder bleibt noch Zeit, bis sich das richtige Marktfenster öffnet. Ein weiteres Kriterium ist auch die Skalierbarkeit. Grundsätzlich sollten Deep Tech-Startups darauf abzielen, Lösungen zu entwickeln, die skalierbar sind und ein großes Marktpotenzial haben. Allerdings ist es in Nischenmärkten oft einfacher mit dem Wettbewerb zu konkurrieren und sich dauerhaft einen Marktvorteil gegenüber zu verschaffen. Investoren bevorzugen logischerweise Technologien mit großen Marktpotenzialen.

 

An wen kann ich mich wenden als Gründer:in im Deep-Tech Sektor?

Ein großer Vorteil für Gründer:innen in Berlin ist die Vielzahl und Vielfalt an unterschiedlichen Akteuren. Es gibt nichts, was es nicht gibt: Technologiezentren und -parks, Startup-Inkubatoren und -Acceleratoren, Veranstaltungen und Meetups, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien, Online-Plattformen und Communities, uvm. Gerade in den Anfangsjahren werden häufig noch Know-how und technische Geräte aus der Muttereinrichtung benötigt. In dieser Phase geben Gründungsservices und Wissens- und Technologietranseinrichtungen direkt an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen Starthilfe. Sie geben nicht nur Zugang zu finanzieller Förderung wie etwa durch das EXIST-Programm und das Berliner Startup Stipendium (s.u.) und bieten Infrastruktur (Geräte, Labore, Büros), Beratung und Mentoring für angehende Gründer:innen, sondern unterstützen auch dabei, die notwendigen Schnittstellen zur Muttereinrichtung zu gestalten.

Welche Anlaufstellen gibt es an Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen:

Gründungsservices und Inkubatorprogramme der Berliner Universitäten und Hochschulen (Fokus auf wissenschaftsbasierte Gründungen)

Startup Incubator Berlin Gründungsservice der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR)

Team für Entrepreneurship und Gründung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW)

Gründerwerkstatt an der Beuth Hochschule Berlin

Science & Startups Verbund der Gründungsservices von FU, HU, TU und Charité Berlin

Profund Innovation Gründungsservice der Freien Universität Berlin

Humboldt-Innovation Gründungsservice der Humboldt-Universität zu Berlin

Centre for Entrepreneurship Gründungsservice der Technischen Universität Berlin

Charité BIH Innovation Gründungsservice der Charité Universitätsmedizin Berlin

Career & Transfer Service Center Gründungsservice der Universität der Künste Berlin

Technologie- und Gründungszentren / Maker Spaces:

BerlinBioCube auf dem Campus Berlin-Buch

WISTA-Innovations- und Gründungszentrum CHIC – Services für Startups in Berlin Charlottenburg

WISTA-Innovationscampus FUBIC – Services für Startups in Berlin Dahlem (im Bau)

Adlershofer Gründungszentrum IGZ im Technologiepark Adlershof

MotionLab.Berlin – Startup Hub in Marzahn

Start-A-Factory vom Fraunhofer IZM im TechnologiePark Humboldthain

.GUT green innovations  in der Urban Tech Republic am ehemaligen Flughafen Tegel

Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science

Ausgewählte Programm und Zuschüsse für Gründer:innen aus der Wissenschaft

Weiterführende Informationen finden Sie auch hier: Zuschussprogramme – Berlin.de

EXIST-Gründerstipendium (bundesweit)

Das EXIST-Gründerstipendium ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Es fördert Studierende, Absolventen (bis 5 Jahre nach dem Abschluss) und Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die innovative Geschäftsidee haben und ein Gründerteam bilden möchten. Das Stipendium bietet neben einer finanziellen Förderung auch eine persönliche Unterstützung, wie Coachings. Ziel des Programms ist es, Studenten und Absolventen zu ermuntern, innovative Konzepte zu entwickeln und basierend darauf ein Unternehmen zu gründen. Damit soll unter anderem die Gründungskultur in Deutschland gestärkt und die Zahl erfolgreichen StartUps erhöht werden.

–        Bis zu 3000 EUR / Monat / Person

–        Bis zu 3 geförderte Personen

–        Dauer 12 Monate

–        Kinderzuschlag 150 € / Monat / Kind

Die Teams können insgesamt bis zu 140.000 Euro an Fördermitteln erhalten. Die Förderung wird bis zu 100 % gewährt. Alle Team-Mitglieder erhalten eine monatliche Unterstützung (Gehalt). Es gibt auch einen Betrag für Sachmittel, maximal 30.000 Euro. Die Bewerber müssen einen Businessplan einreichen, bei dem unter anderem das Konzept und die Marktsituation erläutert sowie das Team vorgestellt werden muss.

EXIST-Forschungstransfer:

EXIST-Forschungstransfer ist ein bundesweites Förderprogramm mit dem Ziel, die Zahl besonders anspruchsvoller technologieorientierter Unternehmensgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu steigern. EXIST-Forschungstransfer ergänzt das breitenwirksame EXIST-Gründerstipendium um eine spezielle exzellenzorientierte Maßnahme für Hightech-Gründungen.

–        In der Förderphase I stehen bis zu 250.000 Euro an Sachmitteln für die Vorbereitung der Gründung zur Verfügung; in begründeten Einzelfällen auch darüber hinaus

–        In der Förderphase II kurz nach der Gründung des innovativen Hightech-Unternehmen wird ein höherer Gründungszuschuss von bis zu 180.000 Euro gewährt

EXIST-Women

Die Programmlinie EXIST-Women ergänzt das EXIST-Förderprogramm seit 2023 um eine spezifische Förderung von gründungsinteressierten und gründungsaffinen Frauen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Der Förderzeitraum beträgt grundsätzlich jeweils ein Jahr. EXIST-Women soll Frauen ermutigen, den Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit zu wagen. (Quelle: Partner (gruenderplattform.de)www.exist.de)

BSS –Berliner Startup Stipendium[ST1] :

–        Bis zu 2.200 EUR / Monat / Person

–        2-4 geförderte Personen

–        Dauer 6 Monate, Verlängerung möglich bis max. 3 Jahre

Antragsberechtigt sind Gründungszentren und Inkubatoren der Berliner Universitäten und Hochschulen. Beim BSS-Stipendium müssen die Gründer:innen an verschiedene Projektträger wenden, um einen Antrag stellen zu können. Wichtige Grundvoraussetzung ist, dass die Gründung in einem Team von bis vier Personen erfolgen muss. Mindestens ein Mitglied des Gründungsteams sollte einen Bezug zu einer der drei Hochschulen haben. Förderschwerpunkt sind technologieorientierte Gründungsvorhaben mit wissensbasierter oder kreativer Ausrichtung in der Planungs- und Markteinführungsphase. Die Stipendiat:innen haben Zugang zu Hochschullaboren und Arbeitsplätze in den wissenschaftlichen Einrichtungen, sowie erhalten Mentoring und Coaching. (Quelle: Partner (gruenderplattform.de)https://www.ibb.de/de/foerderprogramme/berliner-startup-stipendium.html)

Achtung: beim BSS müssen sich die Gründer/*innen an die verschiedenen Projektträger wenden, um einen Antrag stellen zu können. Die Projektträger bzw. Projekt sind hier aufgelistet, siehe Berliner Startup Stipendium – Berlin.de

 

Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum

Das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum, K.I.E.Z., widmet sich der Unterstützung der Gründung wissenschaftsbasierter Startups im Bereich KI. Der Verbund Science & Startups der Berliner Universitäten TU Berlin, HU Berlin, FU Berlin und der Charité hat K.I.E.Z. hervorgerufen und hat vor, den Forschungstransfer gezielt in KI zu stärken. Das Leistungsspektrum orientiert sich an den spezifischen Bedürfnissen von KI-Startups und deckt die gesamte Innovationskette ab: von der Identifizierung von Gründungspotenzialen in der KI-Forschung (Bridge-To-Market Programm) über die gezielte Unterstützung in der Inkubationsphase bis hin zu einem KI-Accelerator-Programm. K.I.E.Z. sitzt auf dem Merantix AI Campus in Berlin-Humboldthain. (Quelle: KIEZ; Science & Startups)