Gudrun Sack (Tegel Projekt GmbH) | © Foto: Jonas Maron

Gudrun Sack

01.10.2021

Gudrun Sack ist Architektin. Seit Mai 2021 leitet sie gemeinsam mit Dr. Philipp Bouteiller die Tegel Projekt GmbH, die im Auftrag des Landes Berlin die Transformation des früheren Flughafens Tegel zum Forschungs- und Industriepark „Berlin TXL – The Urban Tech Republic“ und zum „Schumacher Quartier“ als nachhaltigen, smarten und sozialen Stadtteil für mehr als 10.000 Menschen plant und umsetzt.

Was bedeutet es für Sie, als Geschäftsführerin am Zukunftsort Berlin TXL – The Urban Tech Republic tätig zu sein?
Es ist meine Aufgabe, die Vision von Berlin TXL Realität werden zu lassen. Die guten Ideen sind da, die Planungen weit vorangeschritten, jetzt geht es um die Umsetzung. Die Chancen für Berlin sind enorm, hier einen Ort urbaner Innovationen und ein Modellquartier für die nachhaltige Stadt von morgen zu entwickeln. Wir setzen Schwerpunkte auf die Ansiedlung technologischer Impulsgeber, auf Klimaneutralität sowie neue Energie- und Mobilitätskonzepte, auf Wassersensibilität und Klimaresilienz, hohe Biodiversität und vieles mehr. Neben zahlreichen Gebäuden entsteht auch ein großer Landschaftsraum. Die Natur bekommt ihren Raum ebenso wie der Mensch. Berlin TXL steht für das klare Ziel, attraktive Räume zum Wohnen und Arbeiten, für Erholung und Freizeit zu schaffen und soziale Zusammenhänge in einem neuen Stadtentwicklungsprojekt zu etablieren. Es werden Verbindungen geschaffen zwischen dem großen Städtebau sowie den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einerseits und den individuellen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer andererseits. Daran arbeiten wir in Berlin TXL alle gemeinsam.

Die Arbeit an einem nachhaltig gebauten, klimaneutralen Stadtquartier zeigt mir …
… wie wichtig es ist, für die großen Transformationsprozesse unserer Zeit Synergien zu nutzen. Ein Schwerpunkt bei der Entwicklung von Berlin TXL ist die Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftskreisläufe. Da wir sie nutzen, können wir Verpackungsmüll vermeiden, Transportwege reduzieren und die Flächen des früheren Flugfelds und der Urban Tech Republic für Produktionsprozesse und Montagezwecke nutzen.

Wir werden von Anfang an die Sektoren Gebäude, Verkehr und Gewerbe koppeln und auch deren Synergien zu nutzen. Für die Dekarbonisierung im Gebäudesektor werden erneuerbare Energien aus Wind und Sonne aber auch Abwärme der angesiedelten Gewerbeunternehmen genutzt. Um alle Bedarfe über den Tag hinweg zu decken, werden Speicherung und Transport von Energie und Wärme entscheidend, um die Verfügbarkeit der Ressourcen abzupuffern.

Auch beim Thema Mobilität gehen wir neue Wege und nutzen Knotenpunkte zur Bündelung verschiedener Mobilitätsangebote. Im Schumacher Quartier, gleich neben der Urban Tech Republic, entstehen an den ÖPNV angebundene Mobility Hubs – dort steht alles, vom Roller über das Lastenrad bis zum Elektro-Mietwagen, zur Verfügung. Ansonsten wird das Quartier komplett autofrei sein. Über die Verkehrsfunktion hinaus ist auch die soziale Nutzung der Hubs für uns entscheidend. Sie werden Orte für Gemeinschaft, Austausch und Zusammenkunft sein – echte Begegnungs- und Umsteigepunkte des urbanen Lebens also.

Welche Innovation hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?
Gebäude sind nicht so nachhaltig wie sie sein könnten. Bis heute entsteht eine Hälfte unseres Abfallaufkommens im Bausektor. Auch die anfallenden CO2-Emissionen sind weiterhin enorm. Neubau mit nachhaltigeren Baumaterialien ist ein wichtiger Teil der Lösung bei der ökologischen Transformation des Gebäudesektors. Aber wir müssen in Zukunft auch verstärkt Baumaterial wiederaufbereiten. Das sogenannte Re- und Upcycling von Abbruchmaterialien wird durch technische Fortschritte immer effizienter. Dieser Innovationsschub wird die Bauwirtschaft verändern.

Berlin TXL hat seine Funktion als Flughafen verloren, aber er wird seine Substanz und Materialität behalten. Das historische Gebäudeensemble bleibt erhalten. Baumaterialien, die im Laufe des Prozesses abgebrochen werden, sollen am Standort verbleiben. Sie werden vor Ort recycelt und dort neu verbaut. Dieses Denken und Handeln in Kreisläufen ist nicht nur ökologisch, sondern für das gesamte Projekt ungemein identitätsstiftend.

Weitere Links:
Berlin TXL – The Urban Tech Republic
Tegel Projekt GmbH
Schumacher Quartier

© Foto: Jonas Maron