Dr. Tina Klüwer

14.06.2023

Seit 2021 leitet Dr. Tina Klüwer das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.) im Zukunftsort Technologie-Park Berlin Humboldthain. Ziel ist es, die neueste KI-Wissenschaft in die Wirtschaft zu übertragen und ehrgeizigen KI-Unternehmer:innen bei der Gründung, Finanzierung und dem Wachstum ihrer Unternehmen zu helfen. Dr. Tina Klüwer hat selbst ein KI-Start-up gegründet und berät als Mitglied des Zukunftsrats Bundeskanzler Olaf Scholz.

Können Sie uns von einer Interaktion mit einer KI erzählen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich habe ja selbst KI implementiert und viele Stunden Zeit mit KI-Software verbracht. Im Rahmen meiner Forschung am DFKI habe ich bspw. ein Dialogsystem entwickelt, das in einer virtuellen Welt einen Barkeeper gesteuert hat. Man konnte sich mit dem Barkeeper über ein Chatinterface über alles mögliche unterhalten. Da es noch vor der Zeit der großen generativen Modelle war, mussten wir dem Bot nicht nur mittels Machine Learning beibringen, die Fragen der Spieler:innen zu verstehen, sondern auch jede Menge Wissen über Cocktails. Das Cocktailwissen musste ich mir dann auch erst mal aneignen. Und bei parlamind, meinem eigenen KI-Start-up, habe ich den Kern des KI-Systems selbst entwickelt und jahrelang mit meinem Team verbessert, ergänzt und trainiert. Das bleibt natürlich in Erinnerung. In der letzten Zeit sind es vor allem die LLMs, die großen KI-Sprachmodelle, die im Gedächtnis bleiben.

Was ist ein häufiges Vorurteil, das Menschen Ihrer Erfahrung nach gegenüber KI haben?

Die Sorge vieler Menschen ist sicherlich, dass wir es bei KI mit einer nicht beherrschbaren Technologie zu tun haben. Das größte Missverständnis sehe ich darin, dass davon ausgegangen wird, KI hätte ein eigenes Bewusstsein und einen eigenen Willen. Dem ist nicht so. Es handelt sich bei KI um ein Set von Software-Algorithmen, die auf Basis großer Datenmengen Muster erkennen können und ständig dazulernen. KI hat kein bewusstes Verständnis dessen, was sie produziert. Aber auch sonst beobachte ich, dass KI oft falsch eingeschätzt wird, entweder als sehr gefährlich oder als eine Art Magie. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht magisch zu sein, was bspw. ChatGPT produziert, aber wer weiß, wie viel Arbeit darin steckt, das Modell zu entwickeln, zu trainieren, die Daten zu beschaffen und dann noch mit einer großen Workforce ungewünschte Antworten wieder abzutrainieren, weiß auch, dass es einfach eine Form von Technologie ist. Eine Leistungsstarke zwar, aber kein Hexenwerk.

Wo sehen Sie das größte Potenzial von KI?

Künstliche Intelligenz ist eine Querschnittstechnologie. Möglichkeiten ergeben sich in allen Lebensbereichen und allen wirtschaftlichen Wertschöpfungsstufen. Dort, wo aktuell die Herausforderungen am größten sind, liegt sicherlich auch das größte Potenzial: beispielsweise im Energie- und Nachhaltigkeitsbereich oder in der Medizin, wo KI in der Diagnostik, bei der Medikamentenentwicklung oder bei Pflegerobotern Innovationen massiv vorantreibt. KI kann durch Automatisierungen und Teilautomatisierungen auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Ich erwarte, dass ein Großteil der Wertschöpfung durch KI im Bereich der Softwareentwicklung entsteht, u.a. als Unterstützung durch KI während der Programmierung und teilweise auch der vollkommen automatischen Erstellung von Software-Code. Das ist vor allem wirtschaftlich sehr interessant.

Welchen Tipp haben Sie für Menschen, die in Berlin ein KI-Unternehmen gründen möchten?

Wir wissen aus einer aktuellen Studie, die wir gemeinsam mit dem KI Bundesverband und anderen Partnern erstellt haben, dass KI-Start-ups sehr oft einen starken Bezug zu Forschung und Wissenschaft haben. Wir empfehlen also allen, sich zunächst an die wissenschaftsnahen Gründungszentren zu wenden. K.I.E.Z. selbst ist ein Projekt von Science & Startups, dem Verbund der Gründungszentren der vier Berliner Universitäten (FU, HU, TU und Charité Universitätsmedizin). Für KI-Entrepreneure gibt es mittlerweile umfassende Beratungs- und Förderangebote. Bei K.I.E.Z. können wir bereits Wissenschaftler:innen unterstützen, die ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich einer möglichen Vermarktung validieren möchten. Für die Phase bis zur Unternehmensgründung bieten wir Inkubatorprogramme an; und für die besten Start-ups ein Accelerator-Programm mit individuell auf die jungen Unternehmen zugeschnittenen Leistungen.

Was bedeutet es für Sie, im Zukunftsort Technologie Park Humboldthain tätig zu sein?

Teil einer aktiven KI-Community zu sein und sich mit anderen KI-Expert:innen austauschen zu können, ist für unsere Gründer:innen sehr wichtig. Deshalb war es auch eine gute Entscheidung, unseren Accelerator am AI Campus Berlin aufzubauen. Hier haben wir nicht nur die notwendigen technischen Infrastrukturen, sondern auch zahlreiche KI-Start-ups und KI-Initiativen. Der Weg bis zur nächsten KI-Expertin ist kurz und die große Bereitschaft, Erfahrungen miteinander zu teilen, hilft unseren Start-ups.

Was möchten Sie mit K.I.E.Z. in den nächsten Jahren erreichen?

Wir wollen mit unserer Arbeit das Berliner KI-Ökosystem bereichern. Gemeinsam mit unseren strategischen Partnern wie z. B. dem BIFOLD oder Berlin Partner möchten wir Berlin zu einem der attraktivsten Standorte für KI-Start-ups weltweit machen. Unsere Community ist bereits heute international aufgestellt. Aber der Wettbewerb um KI- Talente ist groß und wir wollen noch attraktiver werden. Dazu gehört sicherlich auch eine starke Anbindung an die Berliner Wirtschaft. Gemeinsam mit der IHK Berlin und anderen arbeiten wir daran, etablierte und junge Unternehmen stärker zu vernetzen. Als K.I.E.Z. wollen wir dafür sorgen, unsere Start-ups künftig noch besser zu skalieren: durch enge Verbindungen in die Wirtschaft und zu Investoren.

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Technologie-Park Humboldthain