Dr. Christian Regenbrecht (ASC Oncology und CELLphenomics auf dem Campus Berlin-Buch) | © Foto: A. Regenbrecht, ASC Oncology 2021

Dr. Christian Regenbrecht

10.11.2021

Der Molekularbiologe Dr. Christian Regenbrecht ist Wissenschaftler, Mitgründer und CEO von zwei Biotech-Unternehmen, ASC Oncology und CELLphenomics auf dem Campus Berlin-Buch. Beide Firmen fokussieren sich auf Experimentelle Onkologie. ASC Oncology testet für Patienten und Onkologen in einem neuen Verfahren vor einer Therapie, welche Krebsmedikamente am individuellen Patiententumor wirken und welche unwirksam sind. Möglich wird dies durch Organoide, die aus Tumorproben gewonnen werden.

Was bedeutet es für Sie, als Wissenschaftler und Geschäftsführer von ASC Oncology und CELLphenomics am Zukunftsort Berlin-Buch tätig zu sein?
CELLphenomics und ASC Oncology leben von Wissenschaft, von Innovation. Auf dem Campus Berlin-Buch, der sowohl Wissenschafts- als auch Technologiecampus ist, arbeiten wir eng mit Forschenden vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) zusammen. Wir haben mittlerweile mehrere gemeinsame Forschungsprojekte und Veröffentlichungen zum Mehrwert von Tumor-Organoiden publiziert.

Darüber hinaus bin ich selbst Mentor für Postdoktoranden vom MDC. Der Campus hat eine lebendige, junge und internationale Life-Science-Community, und durch die inhaltliche und räumliche Nähe sind Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen im BiotechPark unkompliziert möglich. Es war für uns auch leicht, hier sehr gut ausgebildete Beschäftigte zu gewinnen. Auf dem benachbarten Klinikcampus befindet sich einer unserer wichtigsten Kooperationspartner, das zertifizierte Sarkomzentrum am Helios Klinikum. Von dort erreicht uns Probenmaterial der Patientinnen und Patienten in größtmöglicher Frische – eine wichtige Voraussetzung, um daraus in unseren Laboren erfolgreich Organoide wachsen zu lassen. An diesen testen wir im Labor, welche Medikamente beim individuellen Tumor wirken, und welche nicht. Ganz ohne Nebenwirkungen für den Patienten.

Der Campus Berlin-Buch bietet mit seiner Lage im Grünen zudem einen anderen, nicht zu unterschätzenden Vorzug: Abseits der Hektik der Großstadt kann man sich sehr gut fokussieren. Denn Wissenschaft bedeutet auch, sich Muße zum Denken, Lesen und Schreiben zu nehmen – und das gelingt an diesem Ort sehr gut. Neben dem Druck des Kommerzialisierens auch über Wissenschaft reden und denken zu können, und dadurch auf dem Forschungsgebiet beider Firmen voranzukommen, ist für mich ein weiterer großer Vorteil dieses Campus.

Die Arbeit auf dem Gebiet der Experimentellen Onkologie zeigt mir …
… wie wichtig die Krebsforschung ist und bleibt, um Patientinnen und Patienten künftig wirksam helfen zu können. Krebs ist eine sehr heterogene Erkrankung, die auf die verschiedensten Arten ganz schwer zu greifen und zu begreifen ist. Ich forsche seit über zwanzig Jahren zu Krebserkrankungen und lerne jeden Tag Neues dazu. Nicht nur aus der Literatur, sondern auch aus der eigenen Erfahrung durch unsere Arbeit im Labor. Wir haben mit unseren Organoiden Modelle geschaffen, an denen wir Therapeutika untersuchen können. Damit haben wir ein kleines Puzzle-Stück gelöst. Aber aus jeder beantworteten Frage ergeben sich für uns neue Fragen. Unsere Arbeit ist eine tägliche Herausforderung, der wir uns jedoch im Verbund mit weiteren Experten voller Energie stellen. Die Hoffnung der an Krebs erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen, deren Schicksale wir bei unserer Arbeit kennenlernen, ist für uns der größte Ansporn.

Welche Innovation hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?
2021 gab es zwei hervorragende Publikationen von US-amerikanischen Gruppen, die mich sehr fasziniert haben. Die eine Publikation zeigt, dass man mithilfe von Organoiden die Entwicklung des embryonalen Gehirns nachbauen kann. Man kann also den Aufbau des Gehirns mit den unterschiedlichen Arealen, die für die Sinneswahrnehmung und die Prozessierung von Signalen verantwortlich sind, in der zeitlich richtigen Reihenfolge im Organoid rekapitulieren. Darauf basierend zeigt die andere Publikation, dass sich Hirnorganoide mit augenartigen, lichtempfindlichen Sinneszellen bilden lassen. Die Komplexität des Ursprungsgewebes nicht nur im Äußeren, sondern auch in der Funktionalität so zuverlässig nachzubilden, ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Schritt, um Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson besser zu verstehen. Organoide werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Das bringt mich zurück zu den Dingen, die ich hier auf dem Campus faszinierend finde: Am MDC gibt es mehrere Gruppen, die mit Organoiden arbeiten, etwa die Gruppe von Mina Gouti, die in der neurologischen Forschung auch mit Organoiden arbeitet und großartige Fortschritte macht. Das sind für mich die großen Trends, einmal international gesehen, und einmal in meinem engeren Umfeld, wo ich sehe, es geht voran. Das freut mich, zumal es ein sehr lebendiges Feld ist, das durchaus kontrovers diskutiert wird. In vielen Bereichen werden Tiermodelle nach wie vor als überlegen bewertet. Unsere Pionierarbeit ist es, mit Daten zu unterlegen, dass Organoide ein Riesenpotenzial haben. Zu zeigen, dass es funktioniert: „Yes we can!“, das ist genau das, was mir an diesem Feld Spaß macht.

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© Foto: A. Regenbrecht, ASC Oncology 2021