Dr. Sarah Perumalla

01.08.2024

Dr. Sarah Perumalla ist Politikwissenschaftlerin mit jahrelanger Erfahrung in der Unternehmensberatung und Wissenschaft, sowie den Sektoren Automotive und Logistik. Seit September 2023 leitet sie das innovation LAB new energy am BE-U Behrens-Ufer. Das BE-U ist ein Berliner Leuchtturm in Oberschöneweide. Im Herzen des Innovations-Boom-Korridors im Südosten Berlins gelegen, verwandelt das BE-U das visionäre Erbe eines ehemaligen Industriekomplexes in einen zukunftsfähigen Life-Science- und Technologiestandort. Das konsequent nachhaltige Konzept, das Wissenschaft und Unternehmertum mit Bildung und Innovation verbindet, stellt autarke Energielösungen und eine umfassende Kreislaufwirtschaft in einem menschenzentrierten, kulturfördernden Raum in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit dem Team der DIEAG verwirklicht Sarah die ihr am Herzen liegende Vision einer zukunftsfähigen grünen Stadtentwicklung Berlins.

Frau Dr. Perumalla, wie trägt das new energy LAB konkret zur urbanen Transformation Berlins bei und welche Rolle spielen dabei lokale erneuerbare Energiequellen?

Der Ansatz am BE-U ist einzigartig, da wir uns ganzheitlich auf die klimaneutrale Stadtentwicklung ausrichten. Die urbane Transformation Berlins hin zu einer nachhaltigen und energieeffizienten Stadt erfordert verschiedene Schwerpunkte, darunter den Ausbau erneuerbarer Energien, die Förderung energieeffizienter Gebäude, die Integration von E-Mobilität und den Einsatz von Smart City-Technologien zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur und Energieverwaltung. Diese Themen sind zentral für das new energy LAB.

Am BE-U haben wir uns das Ziel gesetzt, das innovativste und nachhaltigste Gewerbestadtquartier der Welt zu schaffen, indem wir das 10 Hektar große Gelände möglichst energieautark gestalten. In Zusammenarbeit mit der GASAG haben wir ein innovatives Energiekonzept entwickelt, das darauf abzielt, das Areal zu 100 % mit lokal erzeugten erneuerbaren Energien, darunter Tiefe Geothermie, zu versorgen. Das new energy LAB wurde ins Leben gerufen, um dieses Ziel in Form eines Reallabors gemeinsam mit Experten aus Forschung, Wirtschaft und Politik/Verwaltung zu verfolgen. So schaffen wir Blaupausen und definieren nachhaltige Maßstäbe für die urbane Quartiersentwicklung der Zukunft.

Die Themen Energieautarkie und CO2-Neutralität werden immer häufiger diskutiert. Können Sie uns bitte diese Begriffe näher erläutern und erklären, welche Rolle diese im Rahmen des Projektes Behrens-Ufer spielen?

Energieautarkie und CO2-Neutralität hängen sehr eng zusammen, da beide Konzepte darauf abzielen, den Energieverbrauch umweltfreundlicher zu gestalten. Energieautarkie bedeutet, den gesamten Energiebedarf aus eigenen, meist erneuerbaren Quellen zu decken, wodurch keine externen, oft fossilen Energiequellen benötigt werden. Dies reduziert die CO2-Emissionen, da erneuerbare Energien wie Solarkraft und Tiefe Geothermie kaum oder keine CO2-Emissionen verursachen. Somit trägt Energieautarkie direkt zur CO2-Neutralität bei, indem sie den Einsatz von fossilen Brennstoffen minimiert und die Emissionen aus der Energieerzeugung senkt.

Am BE-U setzen wir auf einen intelligenten Mix aus technischen und baulichen Lösungen, um energetische Kreisläufe zu etablieren und einen negativen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen. Konkret bedeutet das ein Zusammenspiel von ressourcenschonender Bauweise, die den Grundenergiebedarf des Areals reduziert, mit innovativen Technologien, womit wir fossilfreie Energie am BE-U nutzen können. Hierzu gehört beispielsweise Solarenergie mit Photovoltaik sowohl auf den Dachgärten als auch integriert in die Gebäudefassaden, die Nutzung von Abwärme und Außenluft, dezentrale Eisspeicher in einem flächendeckenden LowEx-Netz und die Tiefe Geothermie.

Können Sie uns mehr über die innovativen baulichen Lösungen im Behrens-Ufer-Quartier erzählen und wie diese zur Energieautarkie und CO2-Neutralität beitragen?

Wir möchten auf dem Areal ressourcenschonend bauen, um unsere Klimabilanz während der Bauphasen und für die Zukunft des Areals so gering wie möglich zu halten. Deshalb setzen wir verschiedene Maßnahmen um, die ökologische Nachhaltigkeit mit ökonomischen und sozialen Aspekten vereinen. Wir setzen auf eine ressourcenschonende Bauweise und innovative bauliche Innovationen. Beispielsweise nutzen wir wasserführende Lehmdecken als innovative Lösung für die effiziente Heizung und Kühlung von Gebäuden um den Grundenergiebedarf der Gebäude zu senken. Diese Decken bestehen aus Lehmschichten in die wasserführende Rohrsysteme integriert sind. Im Winter wird warmes Wasser durch die Rohre gepumpt, wodurch die Lehmschicht Wärme speichert und gleichmäßig an den Raum abgibt, während im Sommer kühles Wasser die Raumtemperatur senkt. Zusätzlich reguliert der Lehm die Luftfeuchtigkeit, was ein angenehmes Raumklima schafft. Diese Methode ist nicht nur energieeffizient, sondern auch nachhaltig, da Lehm ein umweltfreundlicher Baustoff ist. Klimaanlagen werden hierdurch nicht mehr notwendig.

Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung von Tageslicht per Glasfaser. Hiermit wird natürliches Licht in fensterlose Bereiche wie Tiefgaragen geleitet. Ein Lichtkollektor auf dem Dach sammelt das Tageslicht und leitet es durch Glasfaserkabel verlustarm zu den gewünschten Bereichen. Dort sorgen Lichtauslässe für eine natürliche Beleuchtung, was den Bedarf an künstlicher Beleuchtung reduziert und somit Energie spart. Diese Technologie verbessert das Wohlbefinden, da natürliches Licht eine positive Wirkung auf die Menschen hat und helle, natürlich beleuchtete Räume angenehmer sind.

Von integrierter Regenwasserrückhaltung zu energetische Recyclingsysteme und innovative Energiespeicher, gibt es viele Lösungen, die wir am BE-U umsetzen, um Zirkularität zu fördern und mit intelligentem Bauen zu kombinieren.

Das new energy LAB fungiert als Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Welche konkreten Projekte oder Kooperationen sind aus diesem Netzwerk bereits hervorgegangen?

Seit der Gründung des new energy LABs im Herbst 2023 eruieren wir intensiv das Potenzial und die Möglichkeiten der Tiefen Geothermie für die Energieversorgung am BE-U. Unser Ziel ist es, als Vorreiter die Tiefe Geothermie für unser Quartier und darüber hinaus zu erschließen. Das new energy LAB bringt hierfür hochkarätige Experten aus renommierten Forschungseinrichtungen, marktführenden Unternehmen und Entscheidungsträgern der städtischen Verwaltung zusammen, um gemeinsam die Chancen der innerstädtischen Tiefen Geothermie als Best Practice am BE-U zu erörtern. In fünf Sitzungen dieses Jahr erarbeiten wir durch Wissenstransfer und Dialog, wie die Tiefe Geothermie am BE-U einen Beitrag zur Energieautarkie des Areals sowie zur klimaneutralen Stadtentwicklung leisten kann.

Tiefe Geothermie wird als Schlüssel zur Energieautarkie und Transformation beschrieben. Können Sie dieses Verfahren kurz erklären?

Die Tiefe Geothermie ist eine erneuerbare, preisstabile und grundlastfähige Energiequelle. Als Lösung für eine nachhaltige Energieversorgung ist sie unabhängig vom Wetter, Tages- und Jahreszeit und somit ein entscheidender Baustein für die Zukunft der Energieversorgung. Tiefe Geothermie nutzt Wärme aus tiefen Erdschichten zur Energieerzeugung und kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.

Am BE-U setzen wir auf die Eavor-Loop-Technologie, die mit einem geschlossenen Kreislauf arbeitet, bei dem eine Wärmetransferflüssigkeit in einer tiefen, verbundenen Schleife zirkuliert. Diese Flüssigkeit nimmt Wärme aus dem Gestein auf und gibt sie an der Oberfläche über einen Wärmetauscher ab. Um den intensiven Energiebedarf durch High-Tech-Labore und Light-Industrial-Unternehmen und darüber hinaus auch zur Energiewende in Berlin beitragen zu können, eruieren wir aktuell im new energy LAB die Realisierung von dieser Technologie am BE-U. Wir wollen mit der Firma Eavor am BE-U eine Anlage bauen, die die im Gestein gespeicherte Wärme in 4500 bis 5000 Metern Tiefe gewinnt. So wird nicht nur unser Gelände versorgt, sondern darüber hinaus auch ein bedeutsamer Beitrag für die Dekarbonisierung der Berliner Fernwärmeversorgung geleistet. Und das wird ein wahrer Gamechanger für die Energietransformation in Berlin, da aktuell 50 % der CO2-Emissionen der Stadt durch die Wärmeversorgung verursacht werden.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie bei der Implementierung dieser Technologie in städtischen Gebieten, wie etwa in Berlin?

In städtischen Gebieten wie Berlin stellen begrenzter Platz für Bohrungen, hohe initiale Kosten und komplexe regulatorische Hürden Herausforderungen dar. Die Planung und Finanzierung solcher Projekte erfordern sorgfältige Strategien und Maßnahmen. Chancen liegen in der nachhaltigen Energieversorgung und Reduktion von CO2-Emissionen. Tiefe Geothermie könnte Berlin von fossilen Brennstoffen unabhängiger machen und die Energieversorgungssicherheit erhöhen. Langfristig könnten die Betriebskosten niedriger und die Energiepreise stabiler sein. Insgesamt bietet die Tiefe Geothermie trotz einiger Herausforderungen bedeutende Vorteile für die städtische Energiezukunft. Genau diese Herausforderungen und Chancen begegnen wir aktiv im BE-U new energy LAB Tiefe Geothermie mit u.a. unseren Mitgliedern – Hildegard Bentele (Berliner Abgeordnete im EU-Parlament), Ingmar Budach (Senat Berlin), Hannes Junker (Berliner Wärme & Energie AG) und Dr. Carsten Reinhold (Eavor).

Warum liegt Ihnen das Thema Energie am Herzen?

Das Thema Energie liegt mir am Herzen, weil es eine zentrale Rolle für die Zukunft unserer Gesellschaft und die globale Gemeinschaft spielt. Nachhaltige Energiequellen sind entscheidend, um den Klimawandel zu bekämpfen und die Umwelt zu schützen. Die Energiewende fördert zudem Innovationen und schafft neue Arbeitsplätze. Eine stabile und saubere Energieversorgung erhöht die Lebensqualität und sichert die Unabhängigkeit von geopolitischen Risiken. Schließlich betrifft die Energienutzung jeden Aspekt unseres täglichen Lebens und hat weitreichende Auswirkungen auf Gesundheit, Wirtschaft und Sicherheit.

Was bedeutet es für Sie, am Zukunftsort Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Berlin Schöneweide tätig zu sein?

Für mich bedeutet es, am Zukunftsort Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Berlin Schöneweide tätig zu sein, Teil einer dynamischen und innovativen Gemeinschaft zu sein, die sich auf nachhaltige und zukunftsweisende Technologien konzentriert. Es bietet die spannende Gelegenheit, an der Schnittstelle von Forschung, Politik und Wirtschaft zu arbeiten, um gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Energiewende und der urbanen Transformation zu entwickeln. Gleichzeitig bedeutet es auch, aktiv an der Gestaltung eines führenden Innovationsstandorts mitzuwirken, der sowohl lokal als auch global positive Impulse für eine nachhaltige Zukunft setzt. Hier kann man richtig was für eine bessere Zukunft bewegen!

 

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